Ein prägendes Ereignis
Im Jahr 2011 setzte ich die Vision eines ganzheitlichen, zentralliegenden Sozialprojektes für wirtschaftliche und soziale Integration in Thun um. Gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe von Sozialdienstleitenden erarbeiteten wir erste Konzepte, nachdem eine Bedarfsstudie die Lücken in der Region aufzeigten. Geprägt von Unebenheiten führte dies vorbei am Finden einer passenden Liegenschaft und Fundraisingmitteln, an der Erstellung von innovativen Konzepten, der Gründung der Stiftung PLUSPUNKT, usw.
Schlussendlich entstanden drei gut ausgelastete, total modulare Wohnangebote für Jugendliche und junge Erwachsene mit psychischen Beeinträchtigungen, ergänzt mit Bildungs-, Therapie- und Freizeitangeboten sowie arbeitsseitig ein Gasthof, eine Glaceproduktion, ein Garten- und Liegenschaftsunterhaltsbetrieb und eine Lebensmittelproduktion. Insgesamt über 60 Mitarbeitende trieben dieses Sozialunternehmen (Volksaktien, eigener Wein, Olivenernte in Sizilien, usw.) voran.
Im Sommer 2017 – nach einem schlechten Betriebsjahr der Gastronomie-AG, spitzten sich die schon länger konfliktgeladenen, unterschiedlichen Sichtweisen (Management, Ethik, usw.) zwischen operativer und strategischer Leitung zu. Auch wenn mich die Mitarbeitenden und das Kader sowie die Klienten stützten, wurde mir meine Stelle als Geschäftsführer nach gut sechs Jahren leidenschaftlicher Aufbauarbeit gekündigt. Stiftung und Betriebe (ausser Gastronomie) gingen ohne mein Wissen und trotz einem Übernahmeangebot meinerseits anschliessend an die Stiftung GEWA über. Knapp eineinhalb Jahre später stellte die GEWA alle Angebote (ausser Gartenbetrieb) wegen mangelnder Auslastung ein.
Einordnung, Verarbeitung…
Dieses Erlebnis rüttelte mein Welt- und Menschenbild durch. Meine mir so wichtigen und stets gelebten Werte wie Augenhöhe und Sorgsamkeit wurden mit Füssen getreten. Plötzlich verstand ich nicht nur theoretisch sondern ganz praktisch, warum Stiftungen ein Demokratieproblem haben. Und auch wo, warum und wie unternehmerisches Handeln in «nicht-unternehmerischen Gefässen» an Grenzen stossen kann, wieso Strategieverankerung so zentral ist und wie anfällig die Achse zwischen operativer und strategischer Führung bezüglich Beziehungsgestaltung und Wertekonsens wirklich ist.
Nach zahlreichen Gesprächen, intensiver Reflexion und einem radikalen Sichtwechsel durch ein eher spontanes Projekt mit meiner Familie – Arbeitsaufenthalt in Westafrika (Benin), konnte ich Distanz gewinnen und meine Lehrstücke daraus ziehen.
Nicht nur die positiven, erfolgreichen, sondern auch solche Erfahrungen will ich heute Menschen und Organisationen verfügbar machen. Dabei kommt mir von Zeit zu Zeit mein Professor der Arbeits- und Organisationspsychologie, Dr. Norbert Semmer in den Sinn. Sinngemäss pflegte er immer wieder mal zu sagen: «Sie müssen dort hinschauen, wo die Probleme auftauchen, denn dort ist es interessant und beweisen sich reife Lösungen.»
Viele fachliche Aspekte nahm ich aus dieser Erfahrung auch in meine Studie am VMI der Universität Freiburg im Jahr 2018 auf. Gerne mache ich Sie hier auf die Zusammenfassung dieser schweizweiten Studie aufmerksam.