Corona hat bei vielen die eigene Arbeitswelt kleiner werden lassen. Plötzlich überschneiden sich Home und Office und Begriffe wie Strukturen, Grenzen, Vereinbarkeit werden noch bedeutsamer. Die Zeit des Arbeitsstarts ist auf einmal nicht mehr durch den Zug gegeben, die Pausengestaltung muss eigenständig geregelt werden, der berufliche Einsatz des privaten Telefons wird zur Option und das familiäre Alltagsleben kommt, manchmal vielleicht sogar störend, nahe.

Einige Menschen beurteilen diese Vorkommnisse mehrheitlich als Chance, andere fühlen sich darin eher bedroht. Für alle aber bedeutet es: Eine dienliche Selbstorganisation aufzubauen oder weiter auszubauen.

Was bedeutet Selbstorganisation und welche Elemente sind (speziell in Zeiten von Corona) denn dafür dienlich?

Ich finde bereits das Verständnis für den Begriff als dienlich. Systemisch gesehen geht es nämlich um Entwicklung, formgebende und gestaltende Elemente die vom System ausgehen. Noch deutlicher wird in folgendem Satz ersichtlich, was die Selbstorganisation bringen soll: Höhere strukturelle Ordnungen sollen erreicht werden, ohne dass äussere steuernde EIemente vorliegen. Genau diese äusseren Spielregeln entfallen ja grossteils in pandemiebedingten Homeofficezeiten. Vielleicht hilft darum der Begriff Selbststeuerung noch.

Der Mensch ist ein Gewohnheitswesen, so haben wir uns bequem an diese externen «Regulatoren» gewohnt, damit vielleicht auch wenig Gelegenheiten gehabt, eigene Kompetenzen der Selbstorganisation aufzubauen. Nun sind sie über Nacht plötzlich gefragt…

Auch wenn zunehmend modernere Arbeitsformen im Sinne von New Work (Agilität, Holokratie, Leadership 4.0 usw.) Fuss fassen, blieben doch viele Arbeitsverhältnisse sehr traditionell. Selbstorganisierte Mitarbeitende sind aber in unserer komplexen Welt (da gehört nun auch eine Pandemie dazu) immer mehr gefragt. Unternehmen sind gefordert, schnell und flexibel auf Marktveränderungen und sich wandelnde Kundenwünsche reagieren zu können und laufend mit Innovation zu handeln.

Nicht überall eignet sich die maximale Selbstorganisation. Gerade dort wo Standards (Qualität, Vorgaben) gefragt sind, sollte mit Augenmass damit umgegangen werden.

 

Selbstorganisation funktioniert nicht einfach auf Befehl

Corona deckt ungeniert auf, dass Selbstorganisation zielgerichtet aufgebaut und erlernt werden muss. Als Kultivierer begleite ich Organisationen und Mitarbeitende darin. Aber was sind die wichtigsten Schlüssel?

Bereitschaft
Es braucht Mitarbeitende, die Verbesserungschancen selbstständig wahrnehmen. Auch dazu gehört es, Probleme zu erkennen, zu definieren und zu lösen. Dafür sollten Arbeitgebende Ressourcen zur Verfügung stellen.

Vertrauens- und Fehlerkultur
Ohne Vertrauen wird Selbstorganisation schwierig, weil Kontrollkosten ins unermessliche anwachsen können. Als Führungskraft muss ich davon überzeugt sein, dass meine Mitarbeitenden über die Kompetenzen verfügen, die übertragenen Aufgaben zielgemäss zu erfüllen. Wie sonst sollte ich Entscheidungs- und Handlungsbefugnisse übertragen können? Auch Mitarbeitende müssen sich darauf verlassen können, dass Kollegen und Kolleginnen ihre Aufgaben wie vereinbart ausführen und Vorgesetzte hinter ihnen stehen. Bedeutsam dabei ist, wie in der Organisation mit Fehlen umgegangen wird.

Transparenz und Informationszugang
Stehen nicht alle für die Aufgaben notwendigen Informationen zur Verfügung und/oder die Mission und Vision (Strategie) als Orientierung ist unklar, wird die Selbstorganisation zum Konfliktfeld und Frustrationen machen sich breit.

Ehrlichkeit im Umgang mit Grenzen
Ein offener Umgang mit eigenen Grenzen und Überforderungen erachte ich für gelingende Selbstorganisation als wichtig. Es schützt Teams und Organisationen vor «gefährlichen Kartenhäusern», die vielleicht erstaunlich lange halten mögen, dann aber oftmals unschön und vollständig in sich zusammenfallen.

Damit also Selbstorganisation in Organisationen erfolgreich gelingen kann, braucht es die Arbeit an der Kultur und dem Zusammenwirken von Mitarbeitenden. Letztendlich werden so die oftmals schon überlasteten Führungskräfte entlastet. Dies bedeutet aber anfänglich Mehrarbeit, die Bereitschaft gelegentlich zu Scheitern und das tägliche Üben.

 

Persönliche Selbstorganisation

Für die durch Corona überstürzt aufgedrängte Selbstorganisation im Homeoffice helfen:

  • eine gute Planung (Pausen, Arbeitszeiten, Mahlzeiten usw.),
  • tägliche Prioritätensetzung und Fokussierung,
  • Unterteilung von Aufgaben,
  • Routine und Rituale sowie Deadlines für die Gestaltung des Arbeitsalltages.

 

Wir allen kennen wohl das Parkinson’sche Gesetz des britischen Historikers und Publizisten Cyril Northcote Parkinson:

«Die Arbeit dehnt sich in dem Masse aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.»


Belohnungen und Verzicht auf «Büchsen»

Um die Wirkung zu verstärken,

  • bauen Sie unbedingt auch Belohnungen (z. B. soziale Medien, Konsum usw.) ein.
  • Verzichten Sie auf zu komplizierte, nicht auf Sie zugeschnittene Tools, denn Lust und schnelle positive Auswirkungen erhöhen die Chance für eine effektive, nachhaltige Umsetzung.
  • Eine gute, eigene Selbstorganisation kennt persönliche Grenzen und verliert den Blick für das reale Leben nicht aus den Augen.