Dieser Aussage begegne ich als Psychotherapeut und Coach immer wieder. Es ist erstaunlich, wie viele Menschen mehr oder weniger der Überzeugung sind, dass ihr Handeln, Denken oder Fühlen keine Wirkung erzeugt.

Die beiden Psychologieprofessoren Matthias Jerusalem und Ralf Schwarzer haben – inspiriert von Albert Banduras, (Theorie der Selbstregulation, Selbstwirksamkeit, Kontrollüberzeugung) ein Instrument zur Messung der allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) in über 30 Sprachen entwickelt (siehe www.selbstwirksam.de). Die Selbstwirksamkeit als einer der Schlüsselfaktoren für Resilienz und eng mit Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl verbunden, beschreibt den Glauben an die eigenen Fähigkeiten in bestimmten Situationen um Ziele zu erreichen (Kontroll- und Kompetenzüberzeugung). Eingeordnet wird sie zwischen dem Selbstkonzept als eher stabile Grösse (globales Selbstbild) und dem Selbstwert als Bewertung über sich selbst. In gewissen Teilen greift es auch das Konzept des Kohärenzgefühl nach Antonovsky (Salutogenese: Gesundheitsentstehung) auf. Dazu in einem späteren Blogbeitrag mehr.

Damit Sie wissen, worum es bei der allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung konkret geht, hier drei Musterfragen:

  • Wenn eine neue Sache auf mich zukommt, weiss ich, wie ich damit umgehen kann.
  • Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel und Wege, mich durchzusetzen.
  • Was auch immer passiert, ich werde schon klarkommen.

Wenn man weiss, dass Menschen mit einem starken Glauben an die eigenen Kompetenzen grössere Ausdauer bei der Bewältigung von Aufgaben, eine niedrigere Anfälligkeit für Angsterkrankungen und Depressionen und zudem mehr Erfolge in Ausbildung und Berufsleben aufweisen, lohnt es sich, dieses Konzept etwas näher kennen zu lernen.

Selbstwirksamkeitserwartungen und Handlungsergebnisse wirken oft zirkulär. Eine hohe SWE führt zu hohen Ansprüchen an die eigene Person, weshalb man eher anspruchsvolle, schwierige Herausforderungen sucht. Eine gute Leistung führt dann wieder zur Bestätigung bzw. Erhöhung der eigenen SWE. Die gleiche Schlaufe funktioniert leider auch negativ. Menschen mit einer hohen SWE zeigen trotz einzelner Rückschläge eine höhere Frustrationstoleranz. Ideal sind Aufgaben im mittleren Anspruchsniveau, um Unter- und Überforderung zu vermeiden. Herausforderungen sollen kohärent empfunden werden, dies trifft dann zu, wenn die Aufgabe oder Situation als verstehbar, handhabbar und sinnhaft wahrgenommen wird.


Quellen der Selbstwirksamkeitserwartung

Eigene Erfolgserlebnisse stärken den Glauben an die eigenen Fähigkeiten, man traut sich auch in Zukunft solche Herausforderungen zu, umgekehrt führen Misserfolge eher zu zweifeln und dem Meiden von vergleichbaren Situationen. Die Beeinflussung bei Erfolg wie auch Misserfolg geschieht vor allem da, wo das Resultat den eigenen Fähigkeiten zugeschrieben wird (internale, möglichst stabile Attribution).

Meistern Menschen mit ähnlichen Fähigkeiten – den eigenen gleichend, eine Aufgabe, traut man sich auch selbst die Aufgabe eher zu. Wenig erstaunlich ist auch da bei Misserfolg von stellvertretenden Erfahrungen von Mitmenschen, der Effekt auf die SWE schlecht.

Redet mir jemand gut zu, traut mir jemand, die Situation zu meistern, steigen meine Anstrengungen und mein Glaube an mich selbst. Kommt anstelle der verbalen Ermutigung Zweifel an meinen Fähigkeiten auf, hat es auch hier anstelle des positiven einen negativen Effekt. Die verbale Ermutigung soll nicht unrealistisch sein, denn wiederholter Misserfolg demotiviert, dazu wird die Beziehung und das Vertrauen negativ belastet.

Letztendlich sind auch unsere physiologischen Reaktionen bei neuen Anforderungssituationen oft Grundlage unserer Situations- und Selbstwirksamkeitsbewertung. Händezittern, Frösteln, Schweissausbrüche usw. gehen meist mit emotionalen Reaktionen wie Anspannung und Angst einher. Diese Signale liessen sich leicht als Schwäche interpretieren und könnten entsprechend Selbstzweifel nähren. Gelingt es, solche Stressreaktionen sorgfältig abzubauen, können Herausforderungen entspannter angegangen werden und der Erfolg stellt sich eher ein.

Die Beschreibung des Konzeptes zeigt auf, wie stark uns unser Umfeld prägt. Zuerst der familiäre Rahmen, später Peers und das private und berufliche Umfeld. Interessant ist, und da leiste ich mir den Link zum Blogbeitrag «Organisationsgrad kann Innovation hemmen», dass zuviel Bürokratie (auch Strukturierungs- und Formalisierungsgrad) sich ebenfalls negativ auf den SWE auswirken: Die Motivation sinkt, der Stress steigt, negative Emotionen nehmen zu, usw.


Misserfolgsverhinderer oder Erfolgssucher

In meiner Praxis nutze ich denn auch immer wieder mal den Begriff «Misserfolgsverhinderer». Kulturwissenschaftler Fröhlich benennt die Gegenkategorie als Erfolgssucher. Ihr Umgang mit Fehlern, aber ebenso ihre Selbstwirksamkeitserwartung liegt weit auseinander. Dies wirkt sich – als Muster bereits sehr negativ ausgeprägt, so aus, dass aus gemachten Erfahrungen heraus lieber gar nicht mehr gehandelt wird, denn dieser Schaden (faktisch Stillstand) wird als kleiner eingestuft, als erneute Misserfolge. Beruhigend zu wissen, dass die Entwicklung von Selbstwirksamkeit ein lebenslanger Prozess ist. Auch beruhigend zu wissen, dass sie im Lebenslauf die Selbstwirksamkeitsüberzeugung verändert. Strebt ein junger Erwachsener anfangs eher Kontrolle in möglichst vielen Bereichen an, um die eigene Wirksamkeit umfassend zu beweisen, sollte sich mit fortschreitendem Alter ein Wechsel zur qualitativen Vertiefung der eigenen Wirksamkeit in persönlich relevanten Bereichen passieren – aus der Erkenntnis der eigenen Begrenzung heraus.

Und wer die Selbstwirksamkeitsentwicklung von Kindern unterstützen will, sollte folgende Punkte beachten:

  • Kindern im Alltag Raum für Selbstständigkeit (Entdeckungen, Gestaltung, Autonomie) gewähren.
  • Auf das kindliche Tun zuverlässig antworten und Orientierung bieten (z. B. auf Wunsch Tipps und Tricks geben, überschaubare Entscheidungsmöglichkeiten, klare Regeln).
  • Kindern stärkende eigene Erfahrungen ermöglichen und Fortschritt thematisieren, weniger die absolute Leistung.
  • Positive Botschaften schaffen eine rundum positive Erwartungshaltung.