• Depressionen sind extrem verbreitet, werden aber nach wie vor tabuisiert.
  • Offene Kommunikation erleichtert Betroffenen und Kollegen das Miteinander.
  • Es gibt eine Reihe von Indikatoren, die auf Depressionen hindeuten können.

Bis zu 20 Prozent aller Menschen erleben irgendwann im Leben einmal eine depressive Episode. Depressionen sind eine der häufigsten psychischen Erkrankungen und zugleich eine, die nach wie vor viele Betroffene lange Zeit versteckt mit sich herumtragen, oft aus Scham und aus Angst vor den Reaktionen ihres beruflichen und sozialen Umfeldes.

Aus diesen Gründen appelliere ich an Unternehmen, mit diesem sensiblen Thema offener umzugehen, und möchte hier aufzeigen, wie Sie Depressionen am Arbeitsplatz erkennen und sorgfältig ansprechen. Ich bin überzeugt: Wenn man verhindern will, dass sich die Situation verschlimmert oder dass sie chronisch wird, sollte man auf einer informellen und vertraulichen Ebene das Problem ansprechen und in den Dialog gehen, statt sich wegzuducken oder das Thema zu verleugnen.

 

Depressionen erkennen

Depressionen können unterschiedlichste Ausprägungen annehmen. Es gibt aber einige typische und gehäufte Symptome. Experten unterscheiden dabei nach Schweregrad sowie zeitlichem Verlauf. Depressive Phasen können auch im Rahmen von bipolaren Erkrankungen auftreten – ihnen folgen oder gar vorausgehen. Belastende Lebensereignisse wie eine lang andauernde Überforderung, Beziehungsprobleme und der Verlust von geliebten Menschen können eine depressive Erkrankung auslösen. Doch manche Depressionen entstehen auch ohne solch gravierende Lebenseinschnitte.

 

Welche Faktoren lösen gehäuft Depressionen aus?

Zu den Faktoren, die eine Depression auslösen oder begünstigen können, gehören:

  • Der Hang zu Perfektionismus, mangelnde Selbstwirksamkeitserwartung, schlechtes Selbstwertgefühl
  • Schlechte Abgrenzung, ein ungenügendes privates Umfeld
  • Genetische Vorbelastung
  • Saisonale Einflüsse
  • Alkoholabhängigkeit oder andere Süchte
  • Hormonelle Veränderungen bei Frauen nach der Geburt eines Kindes
  • Notorisch überhöhte Anforderungen im Beruf und/oder zu Hause
  • Traumatische Erfahrungen und schwere seelische Belastungen
  • Chronische Krankheiten bei sich oder im familiären Umfeld
  • Belastende kritische und mit Stress verbundene Lebensereignisse, Umbrüche

 

Wie sehen die Symptome aus? 

Mögliche Anzeichen für eine Depression sind:

  • Gedrückte Stimmung, Niedergeschlagenheit, tiefe Traurigkeit
  • Gereiztheit, Aggressivität, innere Leere (Gefühlstaubheit)
  • Interessenverlust, mangelnde Motivation und Antrieb
  • Freud-, Energie- und Teilnahmslosigkeit
  • Sozialer Rückzug und Grübeln
  • Ängste, Schuldgefühle, Selbstzweifel, Konzentrationsstörungen
  • Hilf- und Hoffnungslosigkeit bis hin zu Suizidgedanken und -handlungen
  • In seltenen Fällen können auch psychotische Symptome (Stimmen hören, Wahnvorstellungen …) auftreten

Manche Menschen leiden dann auch an einer Vielzahl körperlicher Symptome, für die keine medizinische Erklärung zu finden ist:

  • Schlafstörungen (Mühe mit Einschlafen, Durchschlafen oder ständiges Früherwachen)
  • Appetitlosigkeit, Verdauungsprobleme, starke Gewichtsveränderungen
  • Herzrasen, Atemnot, Druck auf der Brust, Kloß im Hals
  • Verringertes sexuelles Interesse, ausbleibende Monatsblutung

Fachpersonen sollten, da es Krankheiten mit ähnlichen Symptomen gibt, folgende Erkrankungen ausschliessen können:

  • Schilddrüsenerkrankungen
  • Nicht richtig arbeitende Nebenniere (Insuffizienz)
  • Störungen im Gleichgewicht der Blutsalze (Elektrolytstörungen)
  • Mangelernährung
  • Unangemessene Verwendung von starken Schmerzmitteln (Opioiden)

 

Wie geht man mit Kollegen um, die an einer Depression leiden? 

Eine Gliederung in diese drei Punkte ist hilfreich:

  • Akzeptanz und Enttabuisierung
  • Transparente Kommunikation
  • Fachliche Unterstützung

Eine erste grundlegende Erkenntnis besteht darin, dass Arbeitgebende, Vorgesetzte sowie Kollegen und Kolleginnen akzeptieren, dass psychische Erkrankungen einen entsprechenden Umgang verlangen. Es braucht eine Kultur im Unternehmen, die nicht nur Grenzen und Fehler, sondern auch psychische Erkrankungen nicht weiter tabuisiert. Dies erhöht die Chance, dass Betroffene angesprochen werden können oder sogar selbst in die Offensive gehen.

Beim Ansprechen ist es ratsam, weniger mit Begriffen und Diagnosen zu operieren. Lieber empathisch, transparent und möglichst kritikfrei die eigenen Beobachtungen schildern, also neutral beschreiben, welche Verhaltensänderung man bei dem Kollegen oder der Kollegin wahrgenommen hat. Dadurch und durch das offene Ansprechen, dass man sich Sorgen macht, entsteht ein Klima von Sorgfalt und Wertschätzung.

Weiter ist es dienlich, wenn Gespräche sich nicht endlos im Kreise drehen, sondern gemeinsam konkrete Ziele und Schritte abgemacht werden. Krankschreibungen ohne Absprachen mit Vorgesetzten können zusätzliche Stressfaktoren für Betroffene darstellen und einen guten Therapieverlauf gefährden. In Absprache und mit Zustimmung der/des betroffenen Mitarbeitenden können Teams informiert werden, um unnötige Gerüchte und schlechte Stimmungen zu minimieren.

Psychische Erkrankungen fordern Betroffene und ihr Umfeld stark heraus und sollten so früh wie möglich professionell behandelt werden. Darum lohnt sich der frühe Beizug einer Fachperson – auch da kann ein Vorgesetzter oder Arbeitskollege oder die Firma unterstützend dienen. Sei es durch Vermittlung von Adressen, durch Nachfragen, ob Schritte in diese Richtung unternommen wurden, und so weiter. Wichtig – besonders für den Prozess der Wiedereingliederung – ist die gute Vernetzung von Therapeut, Betroffenem und einer Ansprechperson in der Firma. In gegenseitiger Absprache und mit Zustimmung von Betroffenen können dann auch Teammitglieder informiert und auf dem Laufenden gehalten werden.

 

Gibt es gar Schutzfaktoren?

Es gibt kein rundum wirkendes Mittel, mit dem sich Mitarbeitende schützen ließen. Doch eine gute Feedback- und Fehlerkultur trägt beispielsweise dazu bei, dass Schwierigkeiten und Grenzen nicht negiert werden und damit psychische Krankheiten seltener auftreten beziehungsweise ihre Behandlung besser verläuft. Zugleich hilft eine solche Kultur, bei Betroffenen die Angst vor Stigmatisierung deutlich abzubauen. Im besten Falle trauen sie sich, schneller auf ihre Situation hinzuweisen und vielleicht sogar um Hilfe zu bitten.

Insgesamt hat eine gute zwischenmenschliche Kommunikation im Unternehmen das Potenzial, nebst der optimalen Zielerreichung eine bessere Gesundheit bei Mitarbeitenden zu fördern. Als Inhaber und Geschäftsführer habe ich in Sitzungen immer Raum für informellen und persönlichen Austausch geschaffen. Das führte dazu, dass Vertrauen zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften entsteht. Erst wenn dieses Vertrauen geschaffen ist, entsteht eine Kultur, in der es kein Tabu mehr ist, über persönliche Krisen zu sprechen.