Während ein Virus unsere ganze Welt auf den Kopf stellt, fragen sich viele von uns, wie resilient sie denn nun wirklich sind. Unser Wohlbefinden – insbesondere in einer Krise – ist eng damit verbunden, wie gut uns der Umgang mit unseren Gefühlen gelingt – fachsprachlich auch «emotionale Kompetenz oder Emotionsmanagement» genannt. Die situationsbezogene Steuerung von Gefühlen ist – wenig erstaunlich – wohl der bedeutsamste Faktor um resilient durchs Leben zu gehen.

Weder wenn uns Gefühle überrumpeln, noch wenn wir sie verdrängen, fühlen wir uns sicher und wohl. Bedeutsam und grundlegend ist dabei, dass wir der Möglichkeit Glauben schenken, dass Gefühle steuerbar sind. Feuert unser «emotionales Gehirn» (Lymbisches System mit Amygdala, Hypothalamus usw.) übermässig und befindet sich in einer Schlaufe – kann erst via Zuschaltung des präfrontalen Cortex (Teil des Frontallappens der Grosshirnrinde) die Situation bewusst gemacht und neu bewertet und eingeschätzt werden. Mit kurzfristigem emotionalem Stress kann unser Gehirn glücklicherweise gut umgehen, weil Zellverbände dafür sorgen, dass die Ausschüttung von Stresshormonen nach einer Zeit gestoppt und die Emotionsreaktion und Erregungszustand auf ein mittleres Niveau zurückgefahren werden (Berking 2007). Die situationsbezogene Steuerung von Gefühlen ist – wenig erstaunlich, wohl der bedeutsamste Faktor im Resilienzkonzept.

Superschnell oder bewertend detailgenau

Wer einer Gefahr begegnet, aktiviert zwei unterschiedliche Mechanismen:

  1. Der schnelle Mechanismus: Dieser analysiert die Situation ungenau aber superschnell nach den Kriterien: Flucht, Kampf oder Furcht (Erstarren)? Entsprechend kurbelt er via Hypothalamus und Hirnstamm die passende körperliche Reaktion an, dies noch weit bevor wir uns der Angst bewusst geworden sind.
  2. Der langsamere Mechanismus: Dieser ist detailgenauer und verläuft vom in unserem Körper vom Thalamus zur Hirnrinde. Dabei spielen die Wahrnehmung und auch der Abgleich der aktuellen Situation mit früheren Erfahrungen eine wichtige Rolle. Der präfrontale Cortex verarbeitet die Emotionen durch Integration in ein Gesamtbild und zieht dabei Schlüsse für die beste Handlung.

Emotionen sind nicht einfach Gefühle

Die Neurowissenschaft unterscheidet zwischen Emotionen und Gefühlen. Emotionen sind körperliche Reaktionen, die auf einen emotionalen Reiz folgen und nach aussen sichtbar sind. Gefühle entstehen, wenn das Gehirn die Reaktion des Körpers analysiert und bewusst wahrnimmt. Man könnte auch von der erschaffenen Empfindung sprechen. Emotionen sind sehr nützlich, denn sie fördern richtiges Entscheiden und Verhalten, können dies bei Fehlinterpretation jedoch auch verhindern.

So kannst du mit Gefühlen anders umgehen

Was können wir nun selber tun, damit es uns in belastenden Lebensphasen besser geht? Je nach Situation und Problemstellung eignen sich unterschiedliche Methoden. Drei mögliche Methoden:

1) Anspannung reduzieren

Bedrohung löst Anspannung aus, indem wir diese Anspannungen gut wahrnehmen, können wir rechtzeitig entspannende Kompetenzen (Ruhebilder, Meditation, Genuss usw.) entwickeln und nutzen. Da durch die Anspannung auch die Atmung schneller geht, ist eine achtsame Atmung wichtig. Diese Kompetenzen – die innere Distanz und Bewusstwerdung ermöglichen, müssen bereits im Alltag eingeübt werden. In der akuten und ausweglosen Situation ist es zu spät.

2) Gedanken verändern, Selbstreflexion fördern

Meist sind belastende Gefühle mit Überzeugungen, Gedanken und/oder Erinnerungen verbunden. Der amerikanische Psychologe Albert Ellis hat daraus das ABC-Modell (später ergänzt in das ABCDE-Modell, auch kognitive Umstrukturierung genannt) entwickelt. Er erkannte, dass nicht allein ein äusserer und innerer Reiz zu Gefühlen oder Handlungen führt. Es gibt einen höchst bedeutsamen und wirksamen Zwischenschritt: innerlich bewusste oder unbewusste Bewertungen! Dabei beeinflussen oft auch irrationale Denkmuster das Empfinden von Emotionen, diese wiederum verstärken die Tendenz zu irrationalen Denk- und Handlungsweisen. Die Grundlage der Veränderung ist die Akzeptanz des aktuellen Zustandes, weitere Abwertungen und Verdrängungen setzen das «emotionale Gehirn» weiter in Stress.

ABCDE-Modell von Ellis:

  • A «Adversity»: Widrigkeiten, auslösende Situationen, Trigger…
  • B «Beliefs»: Gedanken, Überzeugungen, Bewertungen
  • C «Consequences»: Gefühle und Verhalten als Konsequenzen

Dadurch lassen sind Verknüpfungen entkoppeln und unterbrechen, so dass ein gewisses Gefühl weniger aufkommt. Die alten Zellverbände werden dabei nicht gelöscht, so dass bei Stress auf einen gewissen Auslöser sich durchaus wieder mal eine alte Reaktion zeigen kann.

Später hat Ellis noch die beiden Buchstaben D und E ergänzt:

  • D «Dispute»: Analyse, Überprüfung der negativen Glaubenssätze, Bewertungen
  • E «Effect»: Positive Auswirkungen und Erfahrungen erleben

So wird aus dem negativen Glaubenssatz: «Ich darf keine Fehler machen» dann «Ich bin neugierig und offen, probiere gerne neue Dinge aus. Wenn ich dabei Fehler mache, nehme ich diese mit Humor und nutze sie als wertvolle Quelle, um beim nächsten Mal erfolgreicher zu sein.» Durch das tägliche Verinnerlichen und Training, nimmt mein Gehirn diese neuen positiven Glaubenssätze auf, es entsteht eine neue Bahnung.

3) Sich Gutes tun

Es ist wichtig ein gutes Selbstwertgefühl aufzubauen, sich selbst Mut zu machen und sich regelmässig und prophylaktisch Gutes zu tun und kleinste Auszeiten zu pflegen (Jenni 2016). Hier nur einige Tipps: Tagebuch schreiben, Musik und Kunst geniessen oder aktiv machen, mit Freunden zusammen sein und sich anvertrauen, geistige und körperliche Aktivitäten, ein gesundes Mass an Herausforderungen (nicht Über- oder Unterforderungen) usw. Dadurch entsteht ein stabiles Fundament, das auch in länger andauernden belastenden Situationen und emotionalem Stress besser trägt.

Bliebt man trotz diesen eingesetzten und trainierten Kompetenzen gefangen, schüttet der Körper weiter Stresshormone aus und es macht Sinn, professionelle Hilfe in der Bewältigung der Situation in Anspruch zu nehmen.